Expected Goals, Wettquoten und der Zufall im Fussball

Die Menschen gehen ins Stadion, weil sie nicht wissen, wie es ausgeht. Das hatte schon Sepp Herberger festgestellt und damit einen wesentlichen Grund für die Fussballbegeisterung vieler Menschen (auch meiner) identifiziert.

Während man sich vor Jahrzehnten beim Tippen eigentlich nur auf subjektive Beobachtungen + Bauchgefühl stützen konnte, steht uns heute eine Fülle von Daten zur Verfügung. Auch uns Laien. Es hat die Sache nicht einfacher gemacht.

Glauben wir den Wettquoten (was schon per se etwas heikel ist, weil ich England als Home of the betting business betrachte und ihnen deshalb mangelnde Objektivität unterstelle), liegen die Engländer ganz leicht im Vorteil: Rund 30 Stunden vor dem Anpfiff weist oddschecker.com für England eine Quote von 7/8, für die Italiener eine Wettquote von 11/10 aus. Für uns Kontinental-EuropäerInnen bedeutet das: Die Wahrscheinlichkeit, dass England den Pokal holt, liegt bei ca. 53%, bei den Italienern bei 47%.

Das scheint mir reichlich optimistisch. Immerhin, wenn ich mich einer meiner Lieblingsindikatoren bediene, nämlich den erwarteten Toren (Expected Goals) und diese mit den tatsächlich erzielten Toren vergleiche, könnte man sagen: beide Teams sind deutlich effizienter als der Durchschnitt. Aber die Engländer sind es ein bisschen mehr als die Italiener.

Auf der anderen Seite zeigt diese Grafik auch: Die Azzurri hatten in den bisherigen sechs Spielen mehr Offensivpower. Sie waren torgefährlicher. Und haben das häufiger auch in einen Torerfolg umgemünzt.

Aber eben, beim Anpfiff morgen zählt das alles nicht mehr. Es spielt nicht einmal eine Rolle, wer das objektiv bessere Team ist. Denn im Fussball gewinnt erstaunlich oft das «schlechtere» Team. In der Bundesliga beispielsweise liegt die Wahrscheinlichkeit dafür bei satten 26%. Das hat hat der deutsche Physik-Professor Metin Tolan errechnet. Wer sich die Zeit mit ein paar guten Youtube-Videos zum Thema Fussball vertreiben will, dem lege ich Tolans 20-minütigen Vortrag ans Herz. Er illustriert, welche Rolle Geld im Fussball spielt und warum die Top-Teams auf dieser Welt brennend an der Einführung des VAR interessiert waren.